An Schiller

[128] Dank dir, Schiller, für die Wonne,

Die deinem Gesang entquoll!

Meines Berges Genius, der Riese,

Ein Schätzer hohen Sangs,

Lauscht' dir, daß der Kolbe von Stahl

Entsank seiner wolkigen Rechten!


Auch ich schlang deinen Gesang,

Wie der Langdurstende

Mit wollüstig geschloßnem Auge

Schlürft aus des Baches Frische.


Sah nicht des eisernen Gitters Schatten,

Den die Sonne malt

Auf meines Kerkers Boden!


Hörte nicht Fesselgeklirr am wunden Arm.

Denn du sangst!

Schiller, du sangst![128]


Deiner Lieder Feuerstrom

Stürzte tönend nieder vor mir;

Und ich horchte seinem Wogensturze;

Hoch empor stieg meine Seele

Mit dem Funkengestäube

Seiner Flut.


Da trat vor mich ein Bote des Himmels,

Lächelte mir sanft und sprach:

»Ein Bote des Himmels bin ich

Und bringe deinem trauten Schiller,

Den du so heiß und brüderlich liebst,

An dessen Feuerbusen du jüngst lagst,

Und lange d'ran weintest,

Ja deinem trauten Schiller bring' ich

Gottes Gruß und Befehle

Daß ihn Laura's Zauberblick

Nicht lockt' in der Wollust Lache;

Daß er in Laura's flimmendem Auge

– Gott sah!

Daß er muthig zürnt

Dem gekrönten Laster!

Daß er's köstlicher hält

Menschen zu lieben,

Als zu überfliegen!

Daß er hörte des Weltalls Symphonie,

Beginnend im tausendstimmigen Einklang der Liebe,

Endend im allstimmigen Einklang der Liebe!

Daß er von seines Felsen Zacken

Die Sprache des Sturms der Natur

Hinunter ins menschenwogende Thal hörte:

»Kreaturen, erkennt ihr Gott?

Kreaturen, erkennt ihr Gott?

Daß er's für Thorheit hält,

Mit hektischem Menschenodem[129]

Zu hauchen in Gottes

Lebenden Sturmwind;

Zu beflügeln den ewigen Kreislauf

Der beaugten Räder!

Daß er beim künftigen Seraph

Den gegenwärtigen Wurm nicht vergißt:

Dies dank' ich deinem Schiller

Und bring' ihm Gruß des Hocherhabnen!

Auch bring' ich ihm Befehle:

Den Aetherstrahl des Genius zu brauchen

Für Gott!

Für den Gesalbten Gottes!

Für's Vaterland!

Zu stählen seiner Brüder milchzerfloßnen Muth;

Zu sprechen jenes Lebens Hoffnung

Ins Herz des Leidenden!

Die frömmere Thräne

Zu wecken in des Jünglings Blick!

Zu schleudern siebenfach-

Gezackten Blitz, wenn Laster, Wahn,

Unglaube, Christuslästerung

Aus aller Macht die Drachenhäupter heben.

Er wird es thun!

Dein Schiller wird es thun.

Gott gab ihm Sonnenblick,

Und Cherubs Donnerflug,

Und starken Arm zu schnellen

Pfeile des Rächers vom tönenden Bogen.«

Quelle:
Christian Friedrich Daniel Schubart: Gedichte. Leipzig [o.J.], S. 128-130.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gedichte
S Mmtliche Gedichte, Volume 1
S Mmtliche Gedichte, Volume 3
Gedichte. Aus der

Buchempfehlung

Anonym

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die Geheimlehre des Veda. Ausgewählte Texte der Upanishaden. Indische Philosophie Band 5

Die ältesten Texte der indischen Literatur aus dem zweiten bis siebten vorchristlichen Jahrhundert erregten großes Aufsehen als sie 1879 von Paul Deussen ins Deutsche übersetzt erschienen.

158 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantische Geschichten III. Sieben Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.

456 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon