Trennung und Finden

[216] Ein heisser Sommer mit Gewitterhitze

Ist stürmisch über uns hinweggeflogen,

Durch schwarze Wolken zuckten gelbe Blitze,

Laut donnerte der runde Himmelsbogen;

Im Zorn der Elemente

Hört' ich die rauhe Stimme die von dir mich trennte.


So war ein langer Kampf in unserm Leben,

Oft brach das Leid mit brausenden Gewittern

Durch unser Herz, von Dunkelheit umgeben,

Oft mußt' ich bis zum tiefsten Sein erzittern,

In allen Lebenstiefen,

Wie Feindeslaut' zum Tode hin von dir mich riefen.
[217]

Dann kam aus Streit und Angst ein süßer Frieden,

Die Sonne brach die schwarzen Wolkengrüfte,

Welch süsse Wonne war uns nun beschieden,

Wie spielten um uns her die Blumendüfte,

Nur sanfte Freudenthränen

Erlinderten mit heilger Fluth unendlich Sehnen.


Da kam dein Blick; da lachten rothe Rosen,

Da sagtest du: ich bin nur dir gebohren!

Einheimisch grüßten wir Muthwill und Kosen;

Wohin der Gram? Er war uns weit verlohren:

O Alma, Süsse, Holde,

Wie zart umspann ein Liebesnetz uns licht von Golde.


Aus Rosen kam zuerst dein süßes Blicken,

In ihnen blühten meine ersten Küsse;

Wie sollt' ich nicht dir heute Rosen schicken,[218]

Daß ihre Röthe rührend dich begrüße:

»Liebst du noch, freundlich Wesen,

Magst noch in unserm Scham-Erröthen Sehnsucht lesen?«


Doch Rosen hegt nicht Feld und Wies' und Garten,

Ach! schon verblüht sind sie, die holden Zeichen!

Ihr Blumen, wen von euch soll ich der Zarten

Holdseeligen mit meinem Kusse reichen?

Nein, kein' aus buntem Orden,

Da uns die Ros', das sanfte Kind, untreu geworden.


Nie welkt die Ros', die wir im Herzen tragen,

Sie duftet Lebenshauch in deinem Herzen;

Blüh' auf, du Liebesblum', um ihr zu sagen,

Wie sie mein Heiligstes in Lust und Schmerzen,

Gieß Thau der Thränen nieder, –

O schweigt, ihr spielnden Tön', blöd' andächtger Lieder.
[219]

Nur Thränen, Seufzer, Blicke durften sprechen,

Nur Kuß in tiefer Inbrunst kann es wagen,

In's Heiligthum der Liebe einzubrechen,

Von dem Geheimniß etwas auszusagen;

Dann feiert Liebes-Wille

Den Sabath in der Einsamkeit und heilgen Stille.

Quelle:
Ludwig Tieck: Gedichte. Teil 1, Heidelberg 1967, S. 216-220.
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